Das wichtigste auf einen Blick
- Agil heißt nicht ad hoc – begegne agilen Methoden realistisch
- Agile Methoden lassen sich auch in bestehenden Unternehmen einführen
- Design Thinking hilft Dir, Probleme in der Nutzererfahrung zu identifizieren und kreativ zu lösen
- Nutze das Business Model Canvas, um diese Lösungsansätze auf ihre Wirtschaftlichkeit zu überprüfen
- Mit Lean Startup identifizierst Du schnell und datenbasiert, ob und welchen Mehrwert Du produzierst
- Scrum ist die Methode der Umsetzung im beruflichen Alltag, um ein Team iterativ, also schrittweise, zu einem noch nicht ganz genau definierten Produkt bringt
- Kanban kann Deinem Team zusätzliche Übersicht in jeglichen Aufgabenfeldern bieten
Die VUCA-Herausforderung
Stell Dir vor, Du gehörst zu einem Team aus Forschenden. Ihr brecht auf zu einer Expedition in den Dschungel. Natürlich hast Du alles so sorgsam wie es ging vorbereitet. Dennoch kannst Du unmöglich vorhersagen, was Dich an einem ganzen Tag, geschweige denn an jedem Tag der Expedition erwartet. Von den Gefahren um Euch herum, über die Witterungsbedingungen bis hin zu den Bedürfnissen jedes Forschenden – Unvorhersehbares lauert an jeder Ecke. Deine Ausrüstung muss so gepackt sein, dass Du möglichst flexibel und – Du ahnst es – agil auf äußere Reize eingehen kannst. Auch auf solche, die Dir bisher noch nicht begegnet sind. Erkennst Du eine Parallele zur jetzigen Situation vieler Unternehmen?
In der heutigen VUCA-Welt müssen Unternehmen und Organisationen häufig genau das leisten: Sie müssen mit flüchtigen (Volatility), unsicheren (Uncertainty), komplexen (Complexity) und mehrdeutigen (Ambiguity) Umständen umgehen können. Der Nutzer steht dabei immer mehr im Zentrum aller Maßnahmen. Mit stetig wechselnden und steigenden Nutzerbedürfnissen wird auch diese Aufgabe zunehmend komplexer. Darüber hinaus bieten Globalisierung und Digitalisierung auch kleinen Unternehmen plötzlich viel mehr Möglichkeiten, zu ernstzunehmenden Konkurrenten heranzuwachsen. Dazu kommt dann noch, dass man für solch herausfordernde Aufgaben die besten Leute braucht. Die können sich wiederum ihren Arbeitgeber heutzutage aussuchen. Also muss ein Unternehmen gleichzeitig noch an seinen Arbeitgeberqualitäten arbeiten.
Mit anderen Worten: Unternehmen müssen heute Vielseitiges und Komplexes leisten.
Klassisch versus Agil
So vielseitig wie die Aufgaben, sind nun eben auch die Arten, mit den Aufgaben und Projekten umzugehen. Klassisches Projektmanagement hat das Ziel, durch solide Planung und exzellentes Risikomanagement möglichst klare Vorhersagen zu treffen und Ergebnisse pünktlich, in gewünschter Qualität und zum richtigen Preis zu liefern. Agile Prozesse sind anders. Sie lassen explizit den Raum für Unvorhergesehenes und die plötzliche Veränderung von Rahmenbedingungen. Das gewährleisten sie, indem in Sprints und Iterationsschleifen gearbeitet wird.
Ein Sprint ist ein zeitlich begrenzter Rahmen (meist zwischen einer und sechs Wochen), in dem vom Team definierte Aufgabenpakete erledigt und Teilprodukte (Inkremente) produziert werden. Der Sprint wird durch ein gemeinsames Meeting beendet, bei dem sowohl aktuelle Aufgaben abgeglichen, als auch neue Aufgaben für den nächsten Sprint verteilt werden. Hierin besteht die Stärke: bei der Neuverteilung der Aufgaben nach einem Sprint können auch Aufgaben hinzukommen, die vor zwei Wochen noch niemand hat kommen sehen. Fand beispielsweise bei diesem Sprint ein User Testing statt, können die Ergebnisse massiven Einfluss auf den weiteren Projektverlauf nehmen.
Eine Iterationsschleife ist eine stetige Wiederholung eines Prozessschrittes unter der Annahme, dass man der Lösung des Nutzerproblems mit jeder Wiederholung einen Schritt näher kommt. Man versucht also gar nicht erst, alles im Vorhinein zu verstehen und zu planen, sondern gibt sich voll und ganz den schrittweisen Analysen und Handlungen hin.
Das sind die prozessorientierten Unterschiede. Darüber hinaus arbeiten die Teams auch persönlicher, überwiegend Hierarchie-unabhängig, eigenverantwortlich und selbstbestimmt. In dem Mindset, der Haltung zum Team, der Herangehensweise und der Prozessgestaltung liegt der Kern des in 2001 verfassten agilen Manifests. Es besteht aus vier Werten und 12 Prinzipien. Gemeinsam bilden diese 16 Punkte die Eckpfeiler für agiles Arbeiten, also auch für agiles Projektmanagement.
Die vier agilen Werte
Wir schätzen:
Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans
Die zwölf agilen Prinzipien
- Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufrieden zu stellen.
- Heiße Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.
- Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.
- Fachexperten und Entwickler müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten.
- Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.
- Die effizienteste und effektivste Methode, Informationen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
- Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß.
- Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.
- Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz und gutes Design fördert Agilität.
- Einfachheit — die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren — ist essenziell.
- Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.
- In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an.
Auch in klassischen Unternehmen kannst Du agil arbeiten
Auch wenn dieses Manifest vordergründig von Softwareentwicklern verfasst und unterzeichnet wurde, sind die Einsatzmöglichkeiten keinesfalls limitiert auf Programmierung, IT oder Technologie. Stell Dir beispielsweise vor, Du sollst gemeinsam mit einem Gremium eine Firmenparty planen. Natürlich würdet ihr als agile Mitarbeitende zunächst die Belegschaft (Nutzer) fragen, worauf sie Lust hätten. Dies als Basis, trefft Ihr Euch, verteilt die Aufgaben und arbeitet bis zum nächsten Meeting an der Erfüllung (Sprint). Ihr trefft Euch erneut, stellt fest, dass drei neue Mitarbeitende veganer sind und müsst Euer Catering überdenken (Sprint Planning). Ihr verteilt wieder Aufgaben, arbeitet wieder eigenverantwortlich daran und stellt beim nächsten Meeting auf einmal fest, Eure Gartenparty würde durch das Wetter buchstäblich ins Wasser fallen. Ihr müsst umdisponieren. Und so weiter. Auch eine einfache Betriebsfeier kann so viele Einflussfaktoren haben, dass sie agil erledigt werden kann. Jeder Teilbereich der Organisation, ob Catering, Location, Einladungslisten oder Dekorationen, ist übrigens in diesem Fall ein Inkrement, da die Summe der Inkremente dann das gesamte Produkt (die Feier) ergibt.
Wann bietet sich agiles Arbeiten an?
Bevor wir in die Tiefe gehen, hier ein Wort der Obacht: agiles Arbeiten kann auch in tradierten Unternehmen eingesetzt werden. Das heißt aber nicht, dass es auch überall von Vorteil ist. Um zu entscheiden, wann es für Dich Sinn macht, agil zu arbeiten, kannst Du einen Blick auf die Stacey-Matrix werfen.
Die Stacey Matrix ordnet Zustände nach Technologie / Werkzeugen und Anforderungen in vier Stadien ein: einfach, kompliziert, komplex und chaotisch.
Je chaotischer und ungewisser ein Projekt(verlauf) ist, desto eher finden agile Methoden Anwendung. Andersherum kannst Du klare, übersichtliche Aufgaben und Projekte gut klassisch planen, um zuverlässige Abläufe zu gewährleisten und Vorhersagen zu treffen. Gerade wiederkehrende Aufgaben wie eine Jahresbilanz oder auch der monatliche Newsletter müssen nicht jedes Mal von 0 an neu gedacht werden.
Agile Techniken & Methoden
Agile Techniken sind einzelne Vorgehensweisen, die die Arbeit im Allgemeinen flexibler und effizienter gestalten sollen. Ein gutes Beispiel ist das Time-Boxing. Hierbei wird für alles ein fixes Zeitlimit festgelegt, gemessen und knallhart durchgehalten. Rum ist rum. Jede noch so kleine Absprache zwischen Kollegen, aber auch die eigene Arbeitsweise wird so ganz deutlich mess- und spürbar. Agile Techniken gibt es unzählige in kleinerer und größerer Ausführung. Wenn Du mit agilem Arbeiten beginnen möchtest, recherchiere am besten nach Techniken, da sie auch losgelöst in Deinen Arbeitsalltag integriert werden können. Wir werden dazu zeitnah einen umfangreichen Leitfaden veröffentlichen.
Agile Methoden bilden den Rahmen, in dem die agilen Werte und Prinzipien umgesetzt werden. Wenn agile Techniken die kleinen Werkzeuge sind, ist die agile Methode, die zum Einsatz kommt, der Werkzeugkoffer.
Wir haben Dir die fünf meist verbreiteten und wichtigsten Projektmanagement-Methoden mitgebracht. Unsere Kurzportraits geben Dir einen groben Überblick über Einsatzmöglichkeiten und Vorgehen. Wenn Du am Ende noch mehr über die agilen Arbeitsweisen erfahren möchtest, starte noch heute kostenlos in den Interaktivlehrgang zur Fachkraft für agiles Projektmanagement (IHK).
Unterteilt haben wir die Methoden nach ihrem klassischen Einsatzgebiet von Wünschbarkeit bis zur Umsetzung. Die fünf Methoden sind Design Thinking, Business Model Canvas, Lean Startup, Scrum und Kanban.
Design Thinking - Wünschbarkeit (Innovation)
Was Design Thinking ist
Design Thinking kommt ursprünglich, wie der Name schon impliziert, aus dem Design. Genauer aus dem Produktdesign. Heute findet es sowohl für Produkt- als auch für Service- und Prozessdesign Anwendung. Mit Design Thinking nähert man sich in sechs Prozessschritten einem Problem. Dabei ist es zwingend notwendig, das Problem stets aus den Augen eines Nutzers zu betrachten.
Das ist auch die Aufgabe in den ersten drei der sechs Schritte. Sie werden als Problemraum bezeichnet. In diesem Problemraum geht es ausschließlich darum, seine Nutzer zu identifizieren, ihre Welt zu verstehen und dann auf die vordefinierte Problemstellung einzugehen. Besonders dabei ist, dass die Nutzererfahrung im Zentrum steht und sogar das eigene Produkt überschreiten darf. Ein einfaches Beispiel sind Bluetooth-Kopfhörer. Dem Nutzer ist vollkommen gleich, welche Schritte notwendig sind, damit Kopfhörer und Smartphone die gleiche Sprache sprechen, das muss einfach funktionieren. Die Experience mit den Kopfhörern hängt also essentiell vom Kopplungsvorgang und damit von einem anderen Device ab. Um solche Dinge zu erfahren, baut man sich seine stereotypischen Nutzer (Personae) und sucht aktiv das Gespräch mit solchen. Nun erst, wenn man das Problem wirklich gut aus Nutzersicht verstanden hat, darf man in den Lösungsraum gehen. Das ist meistens dann der Fall, wenn man eine gute „WKW“-Frage identifiziert hat. Diese werden so gennant, da sie idealerweise mit „Wie können wir…“ beginnen. Anschließend wird die Herausforderung klar herausgestellt. Ein Beispiel: „Wie können wir Michaela (Persona) dabei helfen, ihre Kopfhörer reibungslos zu koppeln, obwohl sie das mit ihrem neuen Smartphone noch nie gemacht hat?“
Die zweiten drei Schritte im Prozess dienen also der Lösung des Problems, das zuvor genau beschrieben wurde. Dabei werden zunächst so viele Ideen wie möglich produziert. Je wilder, desto besser. Sobald man aus einhundert Ideen dann demokratisch drei bis vier sehr gute identifiziert hat, werden aus diesen Ideen Prototypen gebaut. Ein Prototyp kann von einer Zeichnung über eine Pappschablone bis hin zu einem App-Dummy alles sein. Wichtig ist, dass die Grundfunktionalität der Problemlösung klar erkennbar wird, wenn es zum sechsten Schritt geht: Testing. Mit dem Prototypen bewaffnet stellt man sich möglichst früh dem Nutzerfeedback. Meist wird die erste Lösung noch nicht die allerbeste und nur sehr selten die einzige Lösung sein. Deshalb werden diese Schritte in Iterationsschleifen vollzogen: neue Idee, neuer Prototyp, neuer Test. Testergebnis fließt in Ideenfindung ein, Prototyp wird auf die neue Idee angepasst, es wird wieder getestet, bis die Nutzer zufrieden mit der Problemlösung sind.
Was hier nun sehr vereinfacht dargestellt ist, kann je nach Komplexität des Problems ein Prozess über mehrere Monate und Jahre sein.
Wann Du Design Thinking einsetzt
Für ein Problem gibt es immer unzählige Wege, wie man es lösen kann. Je komplexer das Problem und je offener der Ausgang, desto geeigneter ist Design Thinking. Ein Negativbeispiel, wo es dennoch häufig eingesetzt wird: “Wir wollen eine App machen, weil jeder eine App hat. Lasst uns mit Design Thinking feststellen, welches Nutzerproblem wir mit einer App lösen können.” Postrationalisiert und limitiert – keine idealen Ausgangspunkte für wilde Ideen. Nutze Design Thinking, um zu innovieren – was, ist dabei vollkommen Dir überlassen. Aber Achtung: der Prozess ist komplex, vielschichtig und fordert viel Know-How über die Tools und Techniken, die in den einzelnen Schritten erforderlich sind. Am besten holst Du Dir dafür einen Coach.
Business Model Canvas - Wirtschaftlichkeit
Was das Business Model Canvas ist
Jetzt hast Du aus Deinem Nutzerproblem eine tolle Lösung entwickelt, die Du nun umsetzen möchtest. Zuvor allerdings solltest Du Dir Gedanken machen, wie Du mit dieser Lösung auch Dein Unternehmen vorantreiben kannst und ob sich die Umsetzung rechnen wird. Dazu dient das Business Model Canvas (BMC). Es ist quasi eine runtergedampfte Variante des allseits bekannten Business Plans. Mit dem großen Unterschied, dass es keine 120 Seiten, sondern genau eine füllt. Zugegeben eine große.
Das BMC vereint die zentralen neun Punkte, die zu einer erfolgreichen Unternehmung beantwortet sein müssen. Darunter fallen Zielgruppen, Zieldefinition, Kostenkalkulation, aber auch, welchen Mehrwert Du den Nutzern anbietest und welche regelmäßigen Aktivitäten zur Wertschöpfung beitragen.
Während die linke Hälfte sich tendenziell eher mit internen Faktoren wie Vertriebs- und Produktionspartnern, Ressourcen und Prozessen beschäftigt, geht es bei der rechten Hälfte stark Richtung Vertrieb, also eher extern.
Idealerweise wird dieses BMC von einem Kernteam gemeinsam Feld für Feld ausgefüllt, da verschiedene Blickwinkel sicherstellen, dass alles bestmöglich ausgefüllt wird.
Wann Du das BMC einsetzt
Das schöne an dem BMC sind Vielseitigkeit, Individualisierbarkeit und Schnelligkeit. Innerhalb weniger Stunden lässt sich ein Geschäftsmodell übersichtlich skizzieren und zur Abstimmung bringen. Dabei ist jede Dienstleistung gleichwertig zu einem Produkt. Ob Du also Marketing-Kampagnen damit planen, Schuhe breitflächig vertreiben oder ein eigenes Imperium aufbauen möchtest, ist Dir überlassen.
Ein Hinweis: Gerade wenn Du am Anfang stehst und noch nicht ganz genau weißt, wohin die Reise gehen soll, empfehlen wir Dir, Deine Value Proposition sehr ernst zu nehmen. Wir werden zur Value Proposition ein How-To schreiben, um Dich bei diesem Schritt zu unterstützen. Schaue am besten regelmäßig wieder in unserem Blog vorbei, um diesen und andere interessante Artikel nicht zu verpassen!
Lean Startup - Wertschöpfung
Was Lean Startup ist
Ihr habt Euch im Team nun also eine Problemlösung mit Design Thinking erwünscht und sie mit dem Business Model Canvas auf Wirtschaftlichkeit überprüft. Jetzt geht es langsam aber sicher in Richtung Umsetzung. Die nächste agile Methode im Kurzportrait heißt Lean Startup.
Lean ist Englisch für “schlank” und genau darum geht es: Eine neue Geschäftsidee von Anfang an so “schlank” wie möglich zu steuern und zum Nutzer zu bringen. Das oberste Ziel ist dabei, so schnell wie möglich so viel wie möglich über Nutzerbedürfnisse und -akzeptanz zu lernen, um möglichst wenig Ressourcen in die Ausarbeitung unnützer oder inakzeptabler Ideen zu investieren.
Konkret läuft es bei Lean Startup immer in drei iterativen Schritten ab: Build, Measure, Learn. So schnell wie möglich wird aus einer Idee, bzw. aus einer Hypothese, ein Prototyp gebaut, der Minimal Viable Product (MVP) genannt wird. Dieser kann wie immer sämtliche Formen annehmen. Wichtig ist, dass der Nutzer, für den diese Funktionalität entscheidend ist, den Grundgedanken erfassen kann. Dieses MVP wird dann über ein definiertes Testing Szenario (z.B. Fokus-Gruppe, Einzel-Interview, Live-Integration…) auf zuvor definierte KPIs (kritisch!) überprüft. Das Lernziel ist also ganz klar formuliert bevor getestet wird. Mit der Testauswertung wird dann überprüft, ob das Lernziel erreicht wurde, was gelernt wurde und dem Team gut erfassbar weitergetragen (ebenfalls kritisch!). Aus diesen Learnings werden dann wieder Ideen entwickelt, daraus wieder MVPs und so weiter. Dieses Prinzip nennt sich Validated Learning, da alle kritischen Hypothesen auf diese Art validiert oder falsifiziert werden.
Verfolgst Du dieses Vorgehen, kannst Du an einen Punkt gelangen, wo Deine Zielgruppe Deine gesamte Geschäftsidee, oder zumindest kritische Hypothesen über den Mehrwert oder Deine Wachstumsstrategie, niederschmettern. Da wir spätestens seit 1914 wissen “The Consumer is always right”, stehst Du nun vor einer Entscheidung. Im Lean Startup wird diese Entscheidung “pivot or persevere” genannt. Pivot steht für einen Kurswechsel, also ein radikales Umdenken der Strategie. Hierfür gibt es einige bekannte Beispiele. Wusstest du zum Beispiel, dass Starbucks mit dem Verkauf von Kaffeebohnen und Kaffeemaschinen startete, bis sie auf ihre Stammkunden gehört und sich zu der weltweit bekanntesten Kaffeehaus-Kette entwickelt haben? Mehr Beispiele und Anleitungen zur Umsetzung findest Du in unserem Interaktivlehrgang zur Fachkraft für agiles Projektmanagement (IHK). Persevere bedeutet, Du bleibst bei Deinem ursprünglichen Kurs, veränderst aber die Stellschrauben so, dass Du das Nutzerbedürfnis triffst. Das kann beispielsweise dann vorkommen, wenn eine kritische Wachstumshypothese infrage gestellt, der Mehrwert aber ganz klar erkannt wird.
Wann Du Lean Startup einsetzt
Das Grundprinzip, kritische Annahmen durch Nutzerfeedback so schnell wie möglich zu überprüfen, kannst Du quasi überall für Dich einsetzen. Dazu gehört anfangs Mut. Schon bald wirst Du aber erkennen, dass schnelles Lernen maximal ressourcensparend ist. Auch in einem Konzern kannst Du jedes Projekt ab morgen auf genau diese Weise umsetzen. Gründest Du gerade ein Unternehmen, ist es ideal, diese Denkweise von Beginn an zu implementieren und alle Mitarbeitenden gleichermaßen dazu anzuhalten.
Scrum - Umsetzung (mittelfristig)
Was Scrum ist
Im Team habt Ihr nun also eine wilde Problemlösung entwickelt (Design Thinking), sie auf Wirtschaftlichkeit überprüft (Business Model Canvas) und bei der Ausarbeitung kritische Hypothesen durch Nutzerfeedback getestet (Lean Startup). Doch wie managt man nun die Umsetzung dieses agilen Projekts? Dafür bietet sich Scrum an.
Scrum wurde von Softwareentwicklern konzipiert. Einsetzbar ist es aber in jedem, ausgangsunklaren Arbeitsumfeld. Wie oben beschrieben, werden ein- bis vierwöchige Sprints definiert, an deren Ende ein Teilprodukt (Inkrement) entstanden sein muss. Nur im äußersten Notfall werden Aufgaben in den nächsten Sprint überführt. Im Scrum gibt es drei wichtige Rollen: den Scrum Master, den Product Owner und das Entwicklerteam.
Der Scrum Master überwacht die Einhaltung des Prozesses und sorgt dafür, dass alle anderen Mitglieder des Scrum Teams barrierefrei arbeiten können. Dazu gehört sowohl das Bereitstellen aller Ressourcen, als auch die Lösung zwischenmenschlicher Konflikte. Er muss also Prozess-stark und empathisch sein.
Der Product Owner ist, wie der Name impliziert, der Verantwortliche für das entstehende Produkt, sowohl intern als auch eventuellen Kunden oder anderen Stakeholdern gegenüber. Er überwacht die beiden heiligen Dokumente (Artefakte), Product Backlog und Sprint Backlog. Damit jeder Sprint ein Inkrement ergeben kann, muss jede Aufgabe zunächst heruntergebrochen werden. Die Summe aller Anforderungen, die im gesamten Produkt enthalten sein sollen, bildet das Product Backlog. Wenn im Prozess neue Anforderungen aufkommen, werden sie im Product Backlog ergänzt. Das Sprint Backlog wird im gemeinsamen Sprint Planning Meeting (bei Scrum: Event) gefüllt. Hierbei entscheiden die eigenverantwortlich arbeitenden Teammitglieder, wie viele Aufgaben sie in dem Sprint erledigen können. Das Ziel ist dabei nicht, möglichst viele Aufgaben anzufangen, sondern Inkremente zu schaffen. Diejenigen, die das Umsetzen, bilden das Entwicklerteam.
Das Entwicklerteam arbeitet abseits der streng reglementierten Meetings selbstorganisiert und eigenverantwortlich. Wenn sie Probleme haben, können sie sich an den Scrum Master wenden. Bei produktspezifischen Fragen steht ihnen der Product Owner zur Seite.
Am Ende eines Sprints wird dieser genau ausgewertet und sowohl aus Ergebnissicht (Sprint Review), als auch aus zwischenmenschlicher, kollaborativer Sicht (Srpint Retrospektive) analysiert. Das Ziel ist dabei, die Zusammenarbeit kontinuierlich zu verbessern.
Um Dir nicht alles auf einmal zuzumuten, vereinfachen wir an dieser Stelle den Prozess und gehen nicht auf jedes der vier Events im Einzelnen ein. Wenn Du mehr über diese Events erfahren möchtest, starte direkt in den Interaktivlehrgang Fachkraft für agiles Projektmanagement (IHK).
Wann Du Scrum einsetzt
Scrum ist absolut umsetzungsgetrieben. Wenn Du also etwas erschaffst, sei es eine Marketing-Kampagne, ein Event, natürlich aber auch Apps und andere Software, ist Scrum eine hilfreiche Methode, um den Prozess iterativ und damit agil zu gestalten. Wir empfehlen aber zuvor die Rollen auszubilden, bevor ihr an die Umsetzung geht. Die Einhaltung des Prozesses ist bei dieser Methode essentiell. In unserem Interaktivlehrgang findest Du ein ganzes Modul zum Thema Scrum mit ganz klaren Umsetzungstipps und deutlich umfangreicheren Erläuterungen.
Kanban - Umsetzung (mittelfristig)
Was Kanban ist
Wenn ihr Euch nun für Scrum entschieden habt, gibt es dort ein Event, das sich Daily Scrum nennt. Hier gleicht das Entwicklerteam untereinander ab, an welchem Punkt sie mit der Erledigung ihrer Aufgaben stehen. Für diese Art von Abgleich bietet sich ein System an, das schon seit den 1940er Jahren bei Toyota zum Optimieren von Produktionsketten verwendet wird: Kanban.
Kanban bedeutet im Japanischen in etwa “Karte” oder “Tafel” und genau darum geht es. Am Anfang steht eine gut sichtbare Tafel oder eine Wand, das Kanban Board. Diese wird klassischerweise in minimum drei Spalten unterteilt: To-Do, Doing, Done.
Wenn Du Dich an Scrum erinnerst, entsteht zu jedem Sprint ein Sprint Backlog. Dieser besteht aus einzelnen Teilaufgaben. Idealerweise bekommt jedes Teammitglied eine eigene Post-It-Farbe, schreibt auf jeden Post-It eine Aufgabe und fügt sie aus dem Backlog der linken “To-Do”-Spalte hinzu. Beginnt ein Mitglied mit der Ausarbeitung einer Aufgabe, rutscht das respektive Aufgabenkärtchen in die Spalte “Doing”. Nach Fertigstellung rutscht es in die letzte Spalte, in unserem Fall “Done”. Das Ziel ist auch hier, möglichst viele Kärtchen nach rechts zu bewegen. Zu viele Kärtchen auf der linken Seite implizieren ein unrealistisches Sprint Planning oder falsch eingeschätzte Umsetzungszeiten.
Treffen sich dann die Mitarbeitenden zu Beginn eines Tages, ist für jeden auf einen Blick ersichtlich, wer an welcher Aufgabe arbeitet, wie der Stand ist und welche Aufgaben bereits erledigt sind. Auch können eventuelle Engpässe oder offene Kapazitäten abgeschätzt werden.
Wann Du Kanban einsetzt
Natürlich kannst Du die Spalten auch an Deine Anforderungen anpassen. Klassisch kommt es beispielsweise zur Abnahme durch Vorgesetzte oder Kunden oder Feedbackschleifen werden direkt eingeplant. Sei kreativ und adaptiere Dein Kanban Board an Eure Bedürfnisse.
Damit ist Kanban in so gut wie jeder Teamkonstellation umsetzbar und kann gerade in selbstorganisiert arbeitenden Teams wertvoll für die Übersicht, die Kommunikation im Team und damit auch das Teamgefühl sein.
Agil heißt nicht ad hoc
Hoffentlich bist Du nun motiviert und mutig genug, den ein oder anderen agilen Impuls in Deine Organisation zu bringen. Da wir an die oben genannten Methoden glauben (und im übrigen genauso arbeiten), freut uns das sehr. Wie überall ist allerdings auch hier Deine Erwartungshaltung und auch das Management der Erwartungen im Team essentiell.
Agile Methoden können durchaus für zusätzliche Produktivität und vor allem Flexibilität sorgen. Das bedeutet aber nicht, dass Euer agiles Pilotprojekt jedes klassische in allen Kennzahlen übersteigen muss. Agil ist eine an die heutigen Anforderungen angepasste Haltung, eine Denkweise. Die Methoden unterstützen Dich in der Umsetzung. Sie werden Dir und Deiner Organisation dabei helfen, in der VUCA-Welt am Ball zu bleiben. Dennoch ist es wichtig, realistisch zu begreifen, dass eine Umstellung nicht immer trivial ist und dass es unterm Strich Projektmanagement-Methoden und keine Zaubersprüche sind.
Du bist mit Deinem Wissen nun etlichen anderen voraus – aber trotzdem noch ganz am Anfang. Wenn Du mit diesem Wissen in Dein Unternehmen zurückkehrst und für agil missionierst, freut uns das! Dennoch ist unser klarer Appell, Dich zuvor noch tiefer mit der Materie auseinanderzusetzen, damit Deine ersten agilen Erfahrung (und die Deines Teams) auch positiv werden. Schau am besten direkt in den Interaktivlehrgang zur Fachkraft für agiles Projektmanagement (IHK) und sichere Dir bei erfolgreichem Abschluss Dein IHK-Zertifikat.